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Erschütterung des Beweiswertes einer AU-Bescheinigung bei Kündigung nach Erkrankung

Montag, 14.08.2023 | Person: Melanie Bördner

Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann grundsätzlich dadurch erschüttert werden, dass der Arbeitnehmer sich im Falle des Erhalts einer arbeitgeberseitigen Kündigung unmittelbar zeitlich nachfolgend – „postwendend“ – krank meldet und dies für den gesamten Zeitraum der Kündigungsfrist so bleibt. Anders liegt der Fall, wenn der Arbeitnehmer sich erst krank meldet und dann die arbeitgeberseitige Kündigung erhält.

Sachverhalt

Der Kläger war vom 16.03.2021 bis 31.05.2022 Arbeitnehmer der Beklagten, die ihn zuletzt am 21.04.2022 beschäftigte. Er meldete sich am 02.05.2022 krank und legte anschließend Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum ab dem 02.05.2022 bis zum 31.05.2022 vor. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 02.05.2022, dem Kläger zugegangen am 03.05.2022, ordentlich zum 31.05.2022 und verweigerte wegen der Koinzidenz der Krankschreibung und der Kündigung die Entgeltfortzahlung. Am 01.06.2022 nahm der Kläger eine neue Tätigkeit auf.

Hiergegen wendete sich der Kläger und verlangte Entgeltfortzahlung bis zum 31.05.2022. Das Arbeitsgericht Hildesheim gab der Klage mit Urteil vom 26.10.2022 (Az.: 2 Ca 190/22) mit der Begründung statt, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschüttert worden sei. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim legte die Beklagte Berufung ein.

Entscheidung

Die eigelegte Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Insofern führt das Landesarbeitsgericht Niedersachen in seinem Urteil vom 08.03.2023 (Az.: 8 Sa 859/22) aus, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich dadurch erschüttert werden könne, dass der Arbeitnehmer sich im Falle des Erhalts einer arbeitgeberseitigen Kündigung unmittelbar zeitlich nachfolgend krankmeldet bzw. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einreicht. Dies gelte insbesondere dann, wenn lückenlos der gesamte Zeitraum der Kündigungsfrist abgedeckt sei. Dies gilt jedoch nicht, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Arbeitnehmer sich zunächst krank meldet und im Anschluss daran eine arbeitgeberseitige Kündigung erhalte. In diesem Fall fehle es an dem für die Erschütterung des Beweiswertes der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung notwendigen Kausalzusammenhang. Allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer bis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krankgeschrieben sei, am unmittelbar darauffolgenden Tag gesunde und bei einem anderen Arbeitgeber zu arbeiten beginne, erschüttere in der Regel ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung(en) nicht.

Die zugelassene Revision ist derzeit beim BAG zum Aktenzeichen 5 AZR 137/23 anhängig.

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