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Ermittlung des Grundsteuerwertes für die Grundsteuerbescheide nach dem neuen Bewertungsrecht – eine Bestandsaufnahme

Donnerstag, 29.08.2024 | Person: Kevin Schlottbohm

Seitdem das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2018 entschieden hatte, dass die Vorschriften zur Einheitsbewertung zur Bemessung der Grundsteuer verfassungswidrig sind (Urt. v. 10.04.2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14 u.a.), sind auch die neuen Bewertungsregeln der §§ 218ff. des Bewertungsgesetzes (BewG) seit einiger Zeit wieder Gegenstand intensiver juristischer Auseinandersetzungen. Zwischenzeitlich ergangene Entscheidungen des Bundesfinanzhofes (BFH) sorgen bereits für etwas mehr Klarheit. Aufgrund der noch immer undurchsichtigen Gemengelage möchten wir mit diesem Beitrag eine Aufnahme des aktuellen Standes der Diskussion machen und mögliche Vorgehensweisen aufzeigen.

I. Systematik

Gegenstand der aktuell laufenden Verfahren und insbesondere auch der Beschlüsse des BFH vom 27.05.2024 (Az.: II B 78/23 [AdV] und II B 79/23 [AdV]) sind sogenannte Grundsteuerwertbescheide für den Feststellungszeitpunkt 01.01.2022. Mit einem solchen Grundsteuerwertbescheid wird die Höhe des Grundsteuerwertes für ein Grundstück festgestellt, weshalb dieser Bescheid denknotwendig auch Aussagen zur Grundstücksart enthält. Diese Wertermittlungen erfolgen in NRW gemäß dem neuen Bewertungsrecht nach dem sogenannten Bundesmodell. Dabei wird aus Vereinfachungsgründen ein typisierter/schematischer Grundstückswert zugrunde gelegt, wobei der Nachweis eines tatsächlich niedrigeren Wertes nicht vorgesehen ist.

Folgebescheid eines solchen Grundsteuerwertbescheides ist der Bescheid über den Grundsteuermessbetrag zum 01.01.2025. Dieser Grundsteuermessbescheid ist dann wiederum Grundlagenbescheid für den Grundsteuerbescheid, der auf den 01.01.2025 erlassen wird.

Wichtig ist zunächst einmal, dass die jeweiligen Grundlagenbescheide, also der Grundsteuerwertbescheid für den Grundsteuermessbescheid und dieser wiederum für den Grundsteuerbescheid, unabhängig davon, ob sie rechtmäßig sind, Bindungswirkung für den Folgebescheid entfalten. Dies folgt aus § 182 Abs. 1 S. 1 Abgabenordnung. Daraus folgt wiederum, dass Entscheidungen, die in einem Grundlagenbescheid getroffen worden sind, auch nur durch Anfechtung dieses Bescheids angegriffen werden können und nicht durch Anfechtung lediglich des Folgebescheids. Wenn Feststellungen in dem Grundsteuerwertbescheid also falsch sind und dieser deshalb angegriffen werden soll, kann dies nicht mehr nach Erlass des Grundsteuerbescheids erfolgen, weshalb bereits die Grundsteuerwertbescheide geprüft werden sollten.

II. Stand der Rechtsprechung und Problemabriss

Mit Spannung war erwartet worden, wie der Bundesfinanzhof (BFH) in den eingangs erwähnten Verfahren entscheiden würde. Zu beachten ist zunächst, dass es sich bei den Beschlüssen des BFH um solche handelt, die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO betreffen. Vorausgegangen waren diesen Beschlüssen Entscheidungen des Finanzgerichtes Rheinland-Pfalz vom 23.11.2023 (Az.: 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23), die Ausgangspunkt der gegenwärtigen Diskussionen sind, da das FG Rheinland-Pfalz erstmals ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grundsteuerwertfeststellung im Bundesmodell, das auch in Nordrhein-Westfalen Anwendung findet, geäußert hat.

 

Der BFH hat in den vorgenannten Verfahren entschieden, dass das FG Rheinland-Pfalz zu Recht die Vollziehung der angefochtenen Feststellungsbescheide ausgesetzt hat. Begründet hat der BFH dies mit einfachrechtlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Grundsteuerwertfeststellungen hinsichtlich der Höhe der festgestellten Grundsteuerwerte. Diese Zweifel seien darin begründet, dass den Steuerpflichtigen im Wege der verfassungskonformen Auslegung der Bewertungsvorschriften ermöglicht werden müsse, einen tatsächlich niedrigeren gemeinen Wert des Grundstückes nachzuweisen; eine solche Möglichkeit ist indes nicht gesetzlich vorgesehen. Ziel muss eine realitätsgerechte Abbildung des Wertes sein. Ansonsten bestünde – so der BFH – das Risiko einer Verletzung des Übermaßverbots, die etwa dann vorliegt, wenn die Folgen einer schematischen/typisierenden Belastung nicht mehr durch den gebotenen tatsächlichen Anlass gerechtfertigt sind. Eine Verletzung des Übermaßverbotes könnte dann vorliegen, wenn der festgestellte Grundsteuerwert erheblich über das normale Maß hinausgeht, was – entsprechend bisheriger Rechtsprechung – wiederum voraussetzt, dass der festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um mindestens 40% übersteigt.

Das FG Rheinland-Pfalz hat mihtin auch deutliche verfassungsrechtliche Bedenken an den Regelungen zur Bewertung geäußert. Zur Verfassungsmäßigkeit des neuen Bewertungsrechtes hat der BFH sich indes nicht geäußert. Es kann aber in Bezug auf die noch immer anhängigen Hauptsacheverfahren, die also nicht die Aussetzung der Vollziehung betreffen, noch immer zur Klärung von verfassungsrechtlichen Fragen auch durch das Bundesverfassungsgericht kommen. Derzeit ist offen, ob das FG die Hauptsacheverfahren dem Bundesverfassungsgericht vorlegt oder nicht.

III. Tipps für die Praxis

Wenngleich die hier gegebene Problematik durchaus tauglich für Massen- und Musterverfahren erscheint und solche auch bereits anhängig sind, ist – wie so häufig – jeder Einzelfall isoliert zu bewerten. Insoweit gibt es je nach Einzelfall auch divergierende Entscheidungen der Finanzgerichte.

 

Für eine gewisse Vereinheitlichung der Vorgehensweise der Finanzämter haben die Beschlüsse des BFH indes bereits gesorgt. Denn so haben die obersten Finanzbehörden der Länder unter dem 24.06.2024 darauf basierende koordinierte Ländererlasse herausgegeben, mit denen die Finanzämter angewiesen werden, wie in der Praxis mit solchen Fallkonstellationen umzugehen ist (S 3017 BStBl 2024 I S. 1073). Gemäß dieser Ländererlasse ist zur verfassungskonformen Auslegung der Bewertungsvorschriften ein für die jeweilige wirtschaftliche Einheit nachgewiesener niedrigerer gemeiner Wert anzusetzen, wenn der nach den §§ 218ff. BewG ermittelte Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40% übersteigt. Der Steuerpflichtige muss den niedrigeren gemeinen Wert indes nachweisen und nicht bloß darlegen, wozu etwa ein Gutachten eines staatlich anerkannten Sachverständigen für die Wertermittlung von Grundstücken herangezogen werden kann. Die Ländererlasse sehen vor, dass Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung zu entsprechen ist, wenn und soweit schlüssig dargelegt wird, dass der Grundsteuerwert den Verkehrswert um mindestens 40% übersteigt. Im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung ist dabei die Vorlage eines Verkehrswertgutachtens noch nicht erforderlich; substantiierten Angaben ist vielmehr bereits zu folgen.

Aus Sicht der Finanzämter dürfte es – auch zur Vermeidung einer Klagewelle im Zuge von Einspruchsbescheiden – zielführend sein, Einspruchsverfahren ruhend zu stellen, bis mehr Klarheit zur finanziellen Belastung aufgrund der Grundsteuerbescheide besteht.

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Bewertung Ihres konkreten Anliegens in diesem Zusammenhang und sorgen dafür, dass die richtigen Schritte eingeleitet werden.

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