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Ein Sturz beim Firmenlauf begründet keinen Unfallversicherungsschutz

Montag, 05.06.2023 | Person: Thomas Brinkmann

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 21.03.2023 - L 3 U 66/21 entschieden, dass ein Sturz, bei dem sich eine Arbeitnehmerin beim Firmenlauf verletzt, kein Arbeitsunfall ist.

1.

Die Klägerin meldete sich unter dem Namen ihres Arbeitgebers für den Berliner Firmenlauf im Mai 2019 an. Sie nahm gemeinsam mit einigen anderen Mitarbeitenden ihres Unternehmens mit Inline-Skates, mit denen sie auch vor dem Lauf in ihrer Freizeit trainierte, daran teil. Ihr Arbeitgeber stellte den Beschäftigten für die Teilnahme am Lauf T-Shirts mit Firmen-Logo zur Verfügung und übernahm die Startgebühr. Nach dem Start kam die Klägerin mit ihren Inline-Skates auf den nassen Untergrund zu Fall und brach sich das rechte Handgelenk. Die Klägerin begehrte von der Unfallversicherung die Anerkennung als Arbeitsunfall, was die zuständige Unfallkasse abgelehnt hatte. Das Sozialgericht Berlin und das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bestätigten die Entscheidung der Unfallkasse.

2.

Ein Firmenlauf stehe nicht mit der Beschäftigung der Klägerin im engen rechtlichen Zusammenhang und sei daher kein Arbeitsunfall nach § 8 SGB VII. Ein Arbeitsunfall setze vielmehr voraus, dass das Verhalten der Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zugerechnet wird und diese Tätigkeit den Unfall herbeigeführt hat.
Die Teilnahme an dem Firmenlauf sei für die Klägerin freiwillig und erfolgte in ihrer Freizeit. Es gebe seitens ihres Arbeitgebers für die Teilnahme an den Lauf keine Dienstfreistellung, Arbeitszeitvergütung oder Arbeitszeitausgleich.

a.
Das Gericht hat zudem klargestellt, dass es sich bei dem Lauf nicht um Betriebssport handele, der dem Schutz Unfallversicherung unterliege. Betriebssport stehe nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur dann unter dem Schutz der Unfallversicherung, wenn die sportliche Betätigung regelmäßig stattfindet, einen Ausgleichcharakter und keinen Wettbewerbscharakter hat. Weitere Voraussetzung sei, dass der Teilnehmerkreis im Wesentlichen auf Unternehmensangehörige beschränkt sei, Übungszeit und Dauer im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehe und Übungen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden.
Ein Firmenlauf, der nur einmal jährlich stattfindet, erfülle nicht die Kriterien einer gewissen Regelmäßigkeit einer sportlichen Aktivität und habe Wettbewerbscharakter. Die Tatsache, dass sich einzelne Beschäftigte gelegentlich gemeinsam in der Gruppe zum Skaten getroffen haben, führe zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung, denn es fehle an der notwendigen unternehmensbezogenen Organisation.

b.
Des Weiteren könne die Teilnahme an dem Berliner Firmenlauf nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gewertet werden, die einer versicherten Beschäftigung der Klägerin zuzurechnen sei. Kriterien für das Vorliegen einer betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung sind, dass der Arbeitgeber die Veranstaltung als eigene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung durchführt. Alle Betriebsangehörige einlädt und mit dieser Einladung der Wunsch des Arbeitgebers deutlich wird, dass möglichst die alle Beschäftigten freiwillig daran teilnehmen. Zudem muss die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung einen betrieblichen Zweck verfolgen und im Interesse des Arbeitgebers liegen.
Im vorliegenden Fall fehle es an einem betrieblichen Zusammenhang, weil die Teilnahme an dem Lauf nicht allen Beschäftigten offen stünde und nur ein kleiner Teil der Belegschaft daran teilnahm. Weiterhin nahmen bei dem Berliner Firmenlauf vielmehr auch andere Unternehmen sowie Einzelbewerber teil, sodass der Lauf nicht geeignet sei einen betrieblichen Zusammenhalt zu fördern.

Mit der Einladung muss der Wunsch des Arbeitgebers deutlich werden, dass möglichst alle Beschäftigten sich freiwillig zu einer Teilnahme entschließen. Die Teilnahme muss ferner vorab erkennbar grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens oder der betroffenen Abteilung offenstehen und objektiv möglich sein. Es reicht nicht aus, dass nur Beschäftigte einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme angeboten wird oder zugänglich ist. Die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muss im Interesse des Arbeitgebers liegen und einen betrieblichen Zweck verfolgen. Die von der Unternehmensleitung getragene, im Einvernehmen mit ihrer durchgeführten Veranstaltung muss darauf abzielen, die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander zu fördern. An diesem betrieblichen Zusammenhang fehlt es, wenn stattdessen Freizeit, Unterhaltung, Erholung oder die Befriedigung sportlicher oder kultureller Interessen im Vordergrund stehen und wenn für die Teilnehmenden kein verbindliches (und damit das „Wir-Gefühl“ stärkendes) Programm vorgesehen wird. Der Arbeitnehmer genieße nur dann Unfallversicherungsschutz, wenn es sich um Betriebssport handele oder eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung sei.

3.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG steht sportliche Betätigung als Betriebssport nur dann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn der Sport Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter hat, regelmäßig stattfindet, der Teilnehmerkreis im Wesentlichen auf Unternehmensangehörige beschränkt ist, Übungszeit und Übungsdauer im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen und die Übungen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden (vgl. BSG, Urteile vom 28. Juni 2022 – B 2 U 8/20 R -, 13. Dezember 2005 – B 2 U 29/04 R –, 26. Oktober 2004 – B 2 U 16/04 R -).

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