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Darlegungs- und Beweislast bei mangelnder Lesefähigkeit des Erblassers

Donnerstag, 13.10.2022 | Person: Mark Wilmking

Der BGH hat mit Beschluss vom 24.11.2021 (Az. IV ZR 132/2) entschieden, dass die Darlegungs- und Beweislast für eine mangelnde Lesefähigkeit des Erblassers gemäß § 2247 Abs. 4 BGB grundsätzlich derjenige trägt, der sich auf diesen Einwand beruft. Sofern die Beweisaufnahme keine Klarheit hierüber erbringen kann, so ist vom Regelfall auszugehen, und zwar der Lesefähigkeit des Testierenden.

Sachverhalt

Der Klägerin war von dem am 28.08.2016 im Alter von 94 Jahren verstorbenen Erblasser in einem am 20.08.2016 errichteten Schriftstück im Wege eines Vermächtnisses ein Geldbetrag in Höhe von € 50.000,00 zugewandt worden. Der Beklagte als Alleinerbe verweigerte eine Auszahlung und machte geltend, dass die letztwillige Verfügung unwirksam sei, weil der Erblasser im Zeitpunkt der Verfassung des Schriftstückes nicht mehr lesefähig gewesen sei.

Das Landgericht in der ersten Instanz hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen und in der Folge der Klage der Klägerin stattgegeben sowie den Vermächtnisanspruch ausgeurteilt. Das Oberlandesgericht als Berufungsinstanz hat den Sachverständigen ergänzend angehört sowie weitere Zeugen und die Berufung gegen das Urteil zurückgewiesen mit dem Hinweis darauf, dass der Beklagte nicht den Beweis erbracht habe, dass der Erblasser wegen Leseunfähigkeit testierunfähig gewesen sei.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat ausdrücklich unter Verweis einer schon umfangreichen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf § 2247 Abs. 4 BGB abgestellt, wonach derjenige, der Geschriebenes nicht zu lesen vermag, kein eigenhändiges Testament errichten könne. Er hat darüber hinaus unter Berufung auf die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung nochmals bestätigt, dass die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Lesefähigkeit des Erblassers grundsätzlich derjenige trägt, der sich auf diesen Einwand beruft. Sofern dann die Beweisaufnahme keine Klarheit hierüber erbringen könne, so ist vom Regelfall auszugehen, nämlich der Lesefähigkeit des Testierenden.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Bundesgerichtshof die bisher durchgeführte Beweisaufnahme indes nicht für ausreichend erachtet, dass keine notwendige Klarheit darüber besteht, dass eine Lesefähigkeit gegeben sei oder eben gerade nicht. Denn im Rahmen der Beweisaufnahme war insbesondere eine Zeugin nicht einvernommen worden, die seitens des Beklagten dafür benannt worden war, dass der Erblasser eben nicht mehr lesefähig gewesen sei. Zudem führte der BGH aus, dass auch das eingeholte Sachverständigengutachten teilweise widersprüchlich sei, sodass auch hier insbesondere in Bezug auf unterschiedliche Ausführungen und Feststellungen des Sachverständigen eine weitere Aufklärung hätte erfolgen müssen.

Weiteres Verfahren

Die Sache wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden, welches nun unter Berücksichtigung der Hinweise des Gerichtes weitere Beweise erheben muss. Erst dann kann abschließend geklärt werden, ob die erforderliche Lesefähigkeit des Testierenden positiv verneint werden kann, mit der Folge der Unwirksamkeit des Testamentes und der damit einhergehenden Vermächtniserrichtung oder ob vom Regelfall ausgegangen werden kann, wonach der testierende Erblasser lesefähig und damit das Testament wirksam war.

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